Die Liebe zur Wahrheit

Wenn es heute in Gesprächen um Wahrheit geht, neigen viele Menschen zu der Position, dass Wahrheit subjektiv ist. Das ist aus meiner Sicht ein Missverständnis. Wahr ist, dass wir die Wirklichkeit alle unterschiedlich interpretieren.

 

Meinungen statt Wahrheit

 

Wir leben alle in der selben Welt und benutzen unsere subjektive Erfahrung, unsere Überzeugungen und Glaubenssätze, um Sinn aus dem Ganzen zu machen. Doch ändert sich dadurch etwas an der Wahrheit? Ich denke nicht. Wahrheit ist ewig und unveränderlich, die Interpretation der Wirklichkeit aber ist ewig im Wandel und von Mensch zu Mensch unterschiedlich.

 

Viele Lehrer, eine Wahrheit

 

Am Klarsten erkennt man die Ewigkeit der Wahrheit an der vollkommenen Übereinstimmung der Aussagen der großen Lehrer der Welt. Wenn man von ethnischen und kulturellen Details, von Sprache und Kultur absieht, kann man leicht feststellen, das es zwischen den Aussagen der Meister, Heiligen und Religionsstifter keine Unterschiede gibt. 

 

Zwar ist die Bildsprache, die Betonung verschiedener Aspekte und auch der beschriebene Weg manchmal etwas unterschiedlich, die Essenz jedoch, die vermittelt wird, ist immer dieselbe.

 

Falls Du wirklich Zweifel an der Ewigkeit der Wahrheit hast, mach Dir die Mühe, die heiligen Schriften der verschiedenen Religionen zu lesen, am besten in möglichst vielen Übersetzungen, lies die Werke großer Denker und Dichter, studiere die Weltanschauung der Indianer und anderer Völker.

 

Ich bin sicher, dass diese Auseinandersetzung Dich davon überzeugen wird, dass wir in einer realen und mit menschlichen Mitteln erkennbaren Welt leben, deren Essenz von den Weisen aller Länder und Zeiten auf die gleiche Weise beschrieben worden ist. 

 

Form und Essenz

 

Die Erkenntnis dieser ewigen Wahrheit ist das Ziel aller spirituellen Schulen. Je reiner die Lehre umso wahrscheinlicher, dass der Suchende auf den Unterschied zwischen der Darbietungsform und der Essenz der Lehre von Anfang an aufmerksam gemacht wird. Denn es ist nur normal, dass wir Symbole, Bilder und sprachliche "Gefäße" brauchen, um uns der Wahrheit zu nähern. Es ist leider auch normal, dass wir die Form der Lehre mit ihrer Essenz verwechseln.

 

Mehr oder weniger wahr?

 

Ein weiterer Streitpunkt in Bezug auf die Wahrheit ist die Frage, ob es unterschiedlich wahre Wahrheiten gibt. Logischerweise kann es nur eine Wahrheit geben, aber natürlich leben wir auch in einer Erscheinungswelt und wir wissen alle, das es neben dem "Volltreffer" auch "knapp daneben" und "total daneben" gibt. Mathematisch abstrakt gibt es exakte Werte, in der realen Welt aber leben wir mit Toleranzen, also Abweichungen vom angestrebten Wert. So gesehen kann man von verschiedenen Graden an Wahrheit sprechen, aber immer mit dem Wissen im Hintergrund, dass wir diese in einer Welt der Phänomene und nicht der Absolute beschreiben. 

 

Wahrheitsstufen

 

Ein Beispiel für Grade der Wahrheit: Nehmen wir einen Menschen, der davon lebt, anderen etwas zu klauen. Er lebt nach der Idee, dass er am besten überlebt, wenn er sich nimmt, was er braucht. Ist das wahr? Nun, solange niemand ihn erwischt und haftbar macht, ja.

 

Nehmen wir an, jemand lehrt ihn, dass er selbst produktiv werden kann, und damit seine "Leistung" gegen die Anderer eintauschen kann, so dass er keine "Schulden" erzeugt und niemand auf ihn böse ist. Ab diesem Moment lebt er eine höhere Wahrheit. Vielleicht wird er jetzt ein Geschäftsmann, hält sich an geltende Gesetze und bemüht sich nun, möglichst viel zu verdienen, vielleicht auch unter Zuhilfenahme juristischer Winkelzüge und psychologischer Manipulationen.

 

Nehmen wir an, jemand bringt ihm nun bei, er könne sein Geld auch damit verdienen, ganz offen und ehrlich seine Leistungen anzubieten, und auf die Ausnutzung von Gesetzeslücken, die unethisches Verhalten zulassen, zu verzichten. Ab diesem Moment lebt er gemäß einer noch höheren Wahrheit.

 

Und nehmen wir nun an, er lernt weiter und erkennt, dass er sogar Dinge tun kann, die ihm Freude bringen und gut für andere sind, auch wenn er danach an Geld nicht unbedingt reicher ist, sondern vielleicht an Freundschaft oder Erkenntnis. Vielleicht erkennt er sogar, dass es ihm die ganze Zeit eigentlich gar nicht um das Geld sondern um das damit verbundene Gefühl der Freiheit ging. Auch dieser Schritt verbindet ihn wieder mit einer noch höheren Wahrheit. Und so weiter...

 

Wachstum in Wahrheit

 

Dieser Prozess ist es, den man spirituelle Entwicklung nennt. Manche sagen: entweder ist man "erleuchtet! oder mann ist es nicht. Das ist zwar logisch und philosophisch richtig, aber irrelevant. Denn wenn wir mit der Welt (unseren Ideen und Gedanken über uns selbst, unseren Vorlieben und Abneigungen) identifiziert sind, erleben wir eine allmähliche Zunahme an Bewusstheit und Freiheit. 

 

Die Zunahme an Bewusstheit und Freiheit geht Hand in Hand mit unserer Liebe zur Wahrheit. Unsere Liebe zur Wahrheit, (nicht zu unserer persönlichen Auffassung der Wirklichkeit), nimmt die Schleier weg, die unser wahres Selbst vor uns verborgen halten. Wir wissen, dass wir die Realität durch unsere eigene Brille sehen, und sind bereit sie abzulegen. Diese Bereitschaft lädt die Wahrheit ein, immer mehr Raum in unserem Leben einzunehmen.

 

Die Erkenntnis der Wahrheit

 

Wie aber erkennen wir Wahrheit? Erst einmal: Durch Wahrnehmung!

Die Wahrheit ist, was ist.

 

Wir haben so viele Ideen darüber,

was richtig und falsch ist,

dass wir immer weniger WAHR-nehmen.

 

Das dreifache Instrument der Wahrnehmung

 

Dabei ist uns alles gegeben: Wir haben Sinne, Augen, um zu sehen, Ohren, um zu hören und so weiter. Dann haben wir einen bewussten Verstand, der die Sinnesinformation ordnen kann. Und als weitere Instanz haben wir unsere Intuition! Wir haben eine Verbindung zur Wahrheit, die umso stärker wird, je mehr wir ihr vertrauen. Diese Verbindung nennen wir mal "Gewissen", mal "Intuition", mal "Heiliger Geist", die Inder nennen es "Shiva" (der Aspekt des Göttlichen, der die Illusionen zerstört), Sokrates nannte es "Daimonion (Schutzgeist). Der Name spielt keine Rolle.

 

"Ich weiß nichts, zeig mir die Wahrheit!"

 

Im Kung Fu gibt es den Spruch "Ein volles Gefäß kann nicht gefüllt werden!" Leere also den Geist und öffne Dich. Statt zu denken "das weiß ich", öffne Dich für Deine Wahrnehmung und Deine Intuition. 

 

  • Übe heute das Mantra "Ich weiß es nicht" und beobachte, wie Dein Ego weiterhin mit Behauptungen und Werturteilen um sich wirft.
  • Begegne jedem Werturteil, das Dir in den Sinn kommt mit dem Mantra "Das weiß ich nicht". Diese Offenheit wird Dir manche Wahrheit offenbaren.

Wahrheit macht frei!

 

Alles Liebe

 

Stephan 

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